Genschweine
Dr. Snow ]

 

Schwein sollte man haben...

Schon von Alters her stand das Schwein für Wohlergehen, Glück und Reichtum. Sein Anblick verhieß ein Festmahl, und sein Besitz ließ die Kasse klingeln. Durch den drastischen Anstieg des Fleischkonsums im 20. Jahrhundert erreichte das Tier eine enorme Beliebtheit, die durch unsere innovative Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten sogar weiter gesteigert werden konnte. Wenn auch nicht immer zur Freude der Tiere...

Das Schwein nimmt momentan einen bisher noch nie dagewesenen Stellenwert in unserer Gesellschaft ein: es gibt mehr Schweine als je zuvor, und sie sind unglaublich beliebt. Sehen wir uns doch gemeinsam an, wie es dazu gekommen ist:

Vorbei sind die Zeiten, in denen Menschen an harmlosem Organversagen starben wie die Fliegen. Man stelle sich vor: eine einzige zerschlissenen Arterie - ungünstig gelegen – ein ausgewerkelter Herzmuskel, eine zusammengeschrumpfte Leber, all das bedeutet in früheren Jahren den baldigen Sprung ins Grab.. .

Aus ist es mit dem barbarischen Brauch, aus allen einigermaßen gesund verstorbenen Zeitgenossen die brauchbaren Teile herauszuschneiden, einzukühlen wie das Gekröse für die vierbeinigen Freunde und einfach dem Nächstbesten einzusetzen. Nicht, daß diese Methode jemals wirklich funktioniert hätte, massive chemische Eingriffe in den menschlichen Organismus, und in den meisten Fällen lebenslanges Pillenschlucken waren an der Tagesordnung. Überflüssig geworden sind nun endlich die peinlichen Diskussionen wann der Tote denn nun wirklich tot genug sei, um ihm an die Innereien gehen zu dürfen. Die auf das Ausweiden ihrer unglücklichen Mitmenschen spezialisierten Ärzte nannten sich stolz „Transplantationsmediziner" und gerieten samt ihren blutigen, stets gut gefüllten Kühltaschen ins Kreuzfeuer der Kritik, als vor mittlerweile einem halben Jahrhundert das Konzept des Hirntods erstmals als grausamer Irrtum entlarvt wurde. Nur die von Regierung ausgesprochenen Generalamnestie bewahrte einen Großteil der namhaftesten Chirurgen damals vor den Gefängnissen.

Die Schadensersatzprozesse sind ja - wie allgemein bekannt - noch in vollem Gange. Getrieben vom unzähligen Privatklägern quollen junge Anwälte im traditionellen schwarzen Habitus in die Gerichtssäle um lautstark Gerechtigkeit zu fordern. In allen Fällen wurde das Maß der erzielten Gerechtigkeit in direkten Bezug zur Höhe der erstrittenen Abfindungssumme gesetzt. Die Gerichte werden voraussichtlich noch jahrelang blockiert sein, bis sämtliche Herzen, Lungen, Lebern und Nieren, sowie auch das letzte Fuzerl Hornhaut entsprechend abgegolten sein werden, da die lieben Verstorbenen nach heutigem Stand der Wissenschaft damals viel zu früh, praktisch noch lebend, zerstückelt und verteilt wurden.

Für großes öffentliches Aufsehen sorgte auch die Ankündigung der betroffenen Versicherungen, sich einen Teil des Geldes von den seinerzeitigen Organempfängern bzw. deren Nachkommen zurückzuholen. Eine soziale Schlacht ungeahnten Ausmaßes steht uns da noch bevor, vergleichbar vielleicht mit den seinerzeitigen Zahlungen an die NS-Opfer.

Doch zurück in die Zukunft. Alle im letzten halben Jahrhundert geborenen Menschen müssen kaum noch mit gesundheitlichen Problem rechnen, sofern sie rechtzeitig für ein passendes Genschwein Vorsorge treffen.

Bei der gehobenen Mittelschicht ist es ja hierzulande schon seit längerem üblich, zum 40. Geburtstag ein Ferkel aus dem Labor zu schenken, welches dem Jubilar meist augenfällig ähnlich sieht. „Gute Gene!" lachen die Anwesenden dann, jede Lebensäußerung des Tierchens wird mit Applaus begrüßt. Natürlich bekommt es auch ein Stück von der Geburtstagstorte und ist meist der eigentliche Star der Party. Klein, fett und rosa verkörpert es die Zukunft des Jubilars. Noch vor ein paar Jahrzehnten fiel diese Rolle den menschlichen Säuglingen zu, in denen – so der damalige Glaube – ein Stück der Eltern weiterleben würde. Doch das war eine äußerst riskante Sache, denn niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob nicht vielleicht die verhaßten Charakterzüge eines pädophilen Onkels oder einer liederlichen Tante durchbrechen würden bei dem kleinen Menschlein. Mit dem Genferkelchen hingegen ist man vor solch bösen Überraschungen gefeit, und es bedarf auch keiner ausgeklügelten Pädagogik bei dessen Aufzucht. Die Tiere sind klug, pflegeleicht und der modernen Genforschung ist es gelungen, die unvermeidlichen Ausscheidungen der Schweine wahlweise mit Vanille oder Begonienduft zu aromatisieren und in eine kompakte rechteckige Form zu bringen. Kleine Kinder verwenden die Exkremente hinter dem Rücken ihrer Eltern oft liebend gern als Bausteine.

Die nächsten 5 oder, wenn es Glück hat, vielleicht sogar 10 Jahre wird das Genschwein nun wichtiger und geschätzter Teil der Familie sein. Falls es ein Präsent für Papa war, hat man es sogar mit dem zukünftigen Oberhaupt zu tun, wenigstens teilweise - scheibchenweise, sozusagen. Denn ist die Sau erst mal ausgewachsen, also wenn sie ordentlich im Fett steht, pflegt sie ihr stolzer Besitzer dem Arzt vorzuführen. Nein, der Weg führt nicht wie die Menschen im vergangenen Jahrtausend wohl vermutet hätten, zum Veterinär, sondern direkt zum Hausarzt der Familie. Dieser greift zum Stethoskop, hört Herrl und Schwein ab, nimmt Blutproben, tut einen tiefen Blick in beider Rachen und was sonst noch alles zur vorgeschriebenen Prozedur gehört. Denn da sind die Gesetze streng: für Mensch und Tier ist ein Mindestalter vorgeschrieben, um Mißbrauch oder Tierquälerei hinten an zu halten. Doch die meisten halten sich ohnehin streng an die Paragraphen, zu neu und aufregend ist der ganze Prozeß noch. Werden Schwein und Mensch für geeignet erachtet, kommt der Stempel aufs Papier, das Schweinderl kriegt ein Vollkornkeks weil es so brav gewartet hat, und auf geht’s zur nächsten Station, in den großen Organerfrischungsraum. Schon jede mittlere Großstadt verfügt inzwischen über so ein Wunderwerk der modernen Medizin.

Den Austausch der Innereien gibt es noch nicht auf Krankenschein, es läßt sich also ein gutes Geschäft machen damit. Zu den beliebtesten Tauschorganen gehören in Österreich Nieren, Herz, und Lunge natürlich die geplagte Leber. Gegen einen kleinen Aufpreis erhält man auch ein paar frische Arterien und Venen, und, falls erforderlich, eine neue Hornhaut. Das Salzburger Zentrum bietet seit neuestem eine kosmetische Option an, die sich besonders bei Damen enormer Beliebtheit erfreut: Schweinefett wird eingeschmolzen, gereinigt und zur Faltenunterspritzung im Gesicht verwendet. Allergische Reaktionen können bei diesem gentechnisch veränderten „Schmalz" praktisch ausgeschlossen werden. Auch im Bereich der Brustvergrößerung hat das gentechnisch präparierte Schweinefett schon längst das Silikon abgelöst. Immer mehr Frauen um die 50, dem momentan gängigen Alter für den ersten Organtausch, leisten sich ein Paar üppige, straffe Brüste, gesundheitliche Nebenwirkungen ausgeschlossen. Erste Trends sprechen von einem stabilisierenden Effekt in Bezug auf langjährige Ehen. Oft gehörte Aussage unter den Frühpensionisten zu diesem Thema:" Stopft die Schweinebäuche in die Büstenhalter der Frauen, dann macht die Pension gleich doppelt Spaß! „Vorzeitige Speckentnahme zwecks Bruststraffung wird von allen Tierschutzorganisationen allerdings vehement abgelehnt.

Kommt es bei der Verwertung besonders korpulenter Schweine zu Restmengen an zerlassenem Bauchspeck, darf dieser selbstverständlich wie bisher aufs Brot gestrichen werden. Gegen einen kleinen Aufpreis erhält jeder Patient diesen delikaten, schon seit Generationen beliebten Brotaufstrich fix und fertig verpackt in geschmackvollen Steinguttöpfen – eine gute Alternative auch für Männer, die ihr markanten Falten behalten wollen.

Seit Einführung der Refreshmenttechnik konnten sich die Weinbauern in unserem Land über vierstellig Umsatzzuwächse freuen, und das liegt nicht nur am erhöhten Schmalzbrotverzehr. Ganz generell konnte ein Anstieg der Genuß- und damit auch der Lebensfreude beobachtet werden. „ Die Menschen essen wieder!" so ein namhafter Experte der Wiener Lebensmittelanstalt, „Nach Jahrzehnten cholesterinbedingter Askese erfüllt die Menschen die Rückkehr zur mittelalterlichen Sinnenfreude mit echtem Behagen. Butter, Schlagobers und Wein sind nicht länger tabu. Große Braten kommen ebenso wieder in Mode wie das kleine Gulasch oder die Weißwurst am Vormittag. Am Frühstückstisch wird das Müsli zunehmend vom Steak abgelöst, in den einfacheren Haushalten geht der Trend halt eher zu Fleischlaberln und heißen Würsten. Das Getreide kommt nun nicht mehr abgepackt in die Reformläden sondern wird wieder, ganz so wie früher, an die Schweine verfüttert. Denn nur aus einem gesunden Schwein wird später ein ordentlicher Mensch."

Volkswirtschaftlich gesehen also ein voller Erfolg. Neuesten Gerüchten zufolge überlegt ein namhafter Lebensmittelkonzern ein innovatives Rabattmarkensystem für Vielverbraucher. Gute Konsument, die über Jahre hinweg ihren Lebensmittelbedarf in den Supermärkten dieser Kette decken, erhalten so einen beachtlichen Futterkostenzuschuß für das letztendlich benötigte Genschwein. „Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um unsere besten Kunden nicht vorzeitig zu verlieren. Unter den Meistverbrauchern ist die jährliche Verlosung eines Genferkelchens geplant." , soweit ein Sprecher des Konzerns.

Für sozial Schwache hat unsere Regierung sogar eine Schweinderlfarm eingerichtet, die, ausgerichtet am Bevölkerungswachstum, genneutrale Tierchen zur Verfügung stellt, feinsäuberlich nach Blutgruppen und Gewebetypen geordnet, zur Verfügung stellt. Anmelden sollte man sich für ein Wohlfahrtsschwein tunlichst noch bevor die ersten Wehwehchen beginnen, die Wartefristen betragen bis zu 10 Jahren. Interessenten müssen mit einem sozial gestaffelten Kostenbeitrag rechnen, der ungefähr ein Drittel ihres Jahreseinkommens beträgt. Dennoch sind die Tiere heißer begehrt als seinerzeit Gemeindewohnungen oder Kindergartenplätze. Ein entsprechender Einkommensnachweis ist allerdings unerläßlich.

Etliche Bauernhöfe bieten schon seit Jahren ausgewachsenen, personalisierte Genschweine an. Interessenten wenden sich ein paar Jahre vor dem gewünschten Organtausch an den Betrieb und unterschreiben einen entsprechenden Vertrag. Die erforderliche Blutabnahme für die Genbestimmung erfolgt meist direkt in der Bauernstube, und hinterher gibt es eine zünftige Jause mit Speck, Schwarzbrot, Most und einem Klaren. Ein jährliches Foto vom Schweinderl gehört ebenfalls zum Service. Wer mag, darf seinen rosa Freund auch mal unterm Jahr besuchen, doch viele Menschen lehnen eine allzu enge Bindung ab.

Um die recht beachtlichen Kosten für ein „einsatzbereites", ausgewachsenes Genschwein etwas einzuschränken, ist es bei der weniger gehobenen Mittelschicht sehr beliebt geworden, das erforderliche genpräparierte Schweinchen selber großzuziehen. Ab einem gewissen Jahresbruttoeinkommen ist man auf private Zulieferer angewiesen, oder aber, und diese Variante hat sich in den letzten Jahren immer stärker durchgesetzt, man setzt sich selber so ein putziges rosa Tierchen in den Vorgarten. Die Anschaffungskosten für ein genmanipuliertes Ferkelchen entsprechen in etwa dem Gegenwert von zwei bis drei Kleinwägen. Durchaus erschwinglich also wenn man bedenkt, daß ein Organrefreshing zur rechten Zeit das Leben um mindestens 30 Jahre verlängern kann, soweit die neuesten Statistiken. Das personalisierte Genschwein bietet den Vorteil exakt passender Organe, da muß an der Leber nichts mehr weggeschnippelt werden, da stimmt im Fall des Falles sogar die Augenfarbe.

Viele Menschen finden es auch recht nett, ihrem zukünftigen Innenleben beim Erwachsen werden zusehen zu dürfen. Und sie tragen liebevoll Sorge für das Wohlergehen ihrer künftigen Organe. Werden die eigenen Lungen noch so gedankenlos mit Zigarettenrauch verpestet, die Leber unter Alkohol gesetzt wann immer es gesellschaftlich und finanziell auch nur einigermaßen vertretbar ist, ihr Ferkelchen ist den Menschen heilig. Die Ratgeber über glückliche Aufzucht zukünftiger Nieren, Därme, Lungen usw. boomen. Dreh- und Angelpunkt ist auch hier wieder die gesunde Ernährung. Da der Versuch als gescheitert angesehen werden mußte, die breite Öffentlichkeit zur vollwertigen Nahrung zu bekehren, konzentrieren sich die wenigen verbliebenen Ernährungswissenschaftler nun voll und ganz auf die Genferkelchen. Die Menschen dürfen endlich essen was ihnen schmeckt, und niemand versucht, sie dafür mit einem schlechten Gewissen zu bestrafen. Ganz anders verhält es sich da bei den Schweinen: Mediziner und Tierschutzorganisationen sind hier gleichermaßen dahinter, daß die Kost perfekt ist. Sehr zum Ärger der Hersteller wurde Dosennahrung bundesweit verboten, allerdings nur für Schweine.

Ein Sprecher der Konservenindustrie meinte kürzlich in einem Interview dazu: "Ich kann im Namen der VereinigtenKonservenerzeuger nur sehr bedauern, daß die Genschweine per Gesetzesbeschluß von unseren hochwertigen Produkten nicht mehr profitieren dürfen. Doch wir alle hoffe auf einen Umdenkprozeß in naher Zukunft. Das der Arm der Gesetzgebers ausgerechnet unsere neue Produktlinie für das Genschwein zerschmettern mußte ist sehr bedauerlich angesichts all der hineingepackten Mineral-, Vital- und sonstigen Stoffe. Ein finanzielles Debakel konnte durch unermüdlichen Einsatz unserer erstklassigen Lebensmittelchemiker abgewandt werden, so fließt nun der Entwicklungsaufwand für die verbotene Genschweinpalette in das neue Fertigmenüangebot für die staatlichen Kantinen. Nun können immerhin Mensch, Hund und Katze weiterhin von unseren ausgewogenen, erstklassigen Fertignahrung profitieren. Und wer weiß, ob das Schweinderl nicht mal kosten darf, das liebe Viecherl...." Soweit also der Standpunkt der Industrie.

Doch was bekommen sie nun wirklich zu fressen, die kostbaren Grunzer? Grob zusammengefaßt könnte man sagen: all das, was auch für uns Menschen gesund wäre, aber noch keinem je wirklich geschmeckt hat. Grünzeug, Frischkornbrei, Obst, hartes Brot, Kartoffeln – also all jene Dinge, denen man höchsten nach Lektüre der neuesten Statistik zu den Herz-Kreislauferkrankungen ein bißchen was abgewinnen konnte. Mittlerweile ist die Ernährung der Bevölkerung ja wieder zu ihren natürlichen Ursprüngen zurückgekehrt: Männer essen Eiweiß nicht mehr in Form von Tofuschnitzeln sondern es darf wieder ein ordentlich knuspriges Cordonbleu sein, vorzugsweise in Schweineschmalz herausgebacken. Frauen essen interessanter Weise das gleiche – und hinterher stets noch ein Dessert: Eis oder Schokolade sollen in der Hitliste ganz oben stehen, wie wir den noch unveröffentlichten Daten des Statistischen Zentralamtes entnehmen durften.

Über dem – zugegebenermaßen reizvollen - kulinarischen Aspekt soll niemand die oft schwierige psychologische Seite des Organrefreshings vergessen. Namhafte Psychologen aus ganz Europa warnen in diesem Zusammenhang vor den Auswirkungen auf die Seelen unserer Kinder, die ja mit ansehen müssen, wie Teile ihres geliebten Spielgefährten in Mama oder Papa eingebaut werden. Der Verschleiß des Durchschnittsmenschen läßt ein Refreshing zu einem Zeitpunkt sinnvoll erscheinen, zu dem die oftmals vorhandenen Kinder noch nicht über die innere Stabilität verfügen, um sich über die höhere Lebenserwartung ihrer Eltern angemessen zu freuen. Gerüchten zufolge haben sich in Amerika bereits radikale Twens formiert, die einen erstaunlichen Zulauf verzeichnen. Ihre Forderung lautet : „ Weg mit den Genschweinen! Erben jetzt! Wir wollen nicht erst als Pensionisten in die Häuser unserer Eltern einziehen!" Dabei handelt es sich um bedauerliche Auswüchse, doch es steht zu befürchten, daß dieser Trend auch auf Europa überschwappen wird, wenn die Regierungen keine entsprechende Vorsorge treffen.

Durch den Organtausch steigt die Lebenserwartung um durchschnittlich 30 Jahre laut ersten, vorsichtigen Prognosen. Die Gewerkschaften weigern sich in diesem Zusammenhang jedoch energisch dagegen, das Pensionsalter entsprechend anzuheben. Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsverbandes meint dazu: „Solange nicht erwiesen ist, wie lange diese Schweineteile wirklich halten, sind wir zu keiner Diskussion bereit. Ich gehöre zwar schon selber zu den Organerfrischten, fühle mich aber keineswegs um die oft propagierten zwanzig Jahre jünger. Außerdem wären all jene Menschen doppelt benachteiligt, die aus finanziellen Gründen weiterhin früher sterben müssen. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassa wäre eine weiter unabdingbare Voraussetzung."

In diesem Zusammenhang plant die Regierung bereits die Einführung einer entsprechenden Schweinesteuer – ähnlich der Hundesteuer – die Ankauf und Erhaltung der fleischigen Lebensretter empfindlich verteuern wird. Der Ertrag soll jedoch nicht - wie vielfach kolportiert - zur Konsolidierung des Budgets verwendet werden, sondern voll und ganz in die Pensionskassen fließen, um die in den kommenden Jahren zu erwartenden Mehrausgaben zu decken. Ein sorgenvolles Vorstandsmitglied der Sozialversicherungsträger meinte dazu." Ich wünschte, die Leute würden sich die Schweine nicht einsetzen lassen, sondern sie wieder vermehrt aufessen. Das käme unserem Verband nämlich wesentlich billiger." Internen Gerüchten zufolge wird intern bereits eine diesbezügliche Kampagne erwogen unter dem Motto: „Schweine zurück auf den Spieß! Nieder mit dem Skalpell!"

Viel aktueller erscheint momentan jedoch das Problem: „Wie sagen wir’s den Kindern?" Wir haben dazu die renommierte Kinderpsychologin Dr. Bärenkopf befragt:" Bei den Genschweinen handelt es sich im Grunde ja um kein neues Problem, da auf den Bauernhöfen die Kinder schon vor Jahrhunderten damit konfrontiert wurden, daß Spielgefährten ein jähes, gewaltsames Ende fanden. Einziger Unterschied: der Tod kam damals der ganzen Gemeinschaft zugute: in Form eines Schlachtfestes oder eines Sonntagsbratens. Bei der heutigen Ausprägung der Genschweine ist das nicht der Fall, es kann nur ein Familienmitglied davon profitieren. Die Eltern sollten also den Ängsten ihrer Kinder mit Geduld und Verständnis begegnen.

Fragen wie: „Wer soll denn nächstes Jahr sterben: Papa oder das Schwein? Wen hast Du lieber?" müssen unbedingt vermieden werden, schon im eigenen Interesse. Kinder sind oft erstaunlich taktlos. Erklären Sie Ihrem Kind lieber den Kreislauf des Lebens und die untergeordnete Stellung, die der grunzende Hausgenosse darin nun mal einnimmt. Versuchen Sie, die Dinge zu relativieren: Schweine müssen nun mal sterben, ob nun für die heißgeliebten Frankfurter oder für die (hoffentlich) nicht minder geschätzte Mama.... Wenn es Ihr finanzielle Situation erlaubt, gönnen Sie Ihrem vierbeinigen Lebensretter doch Ihre alten Organe, vielleicht kann sich das Tier noch ein paar schöne Jahre damit machen – im Idealfall, bis die Kinder aus dem Haus sind..."

Bahnbrechend auf diesem Gebiet der Schweinereanimation nach der Organentnahme waren die Arbeiten des engagierten Tierschützers Dr. Snow, der, getrieben von natürlichem Mitleid und seinen beiden kleinen Töchtern, als Erster den Schweinen die alten, aber noch funktionstüchtigen Organe ihrer Besitzer zubilligte*. In diesem Fall darf auch nur ein geringer Teil des Bauchspecks für kosmetische Zwecke verwendet werden, um das Schwein nicht unnötig zu schwächen. Drastische Brustvergrößerungen müssen entfallen, was oft zu ernsten Konflikten in den Familien führt, wenn der Papa seine berechtigten Interessen gegen den Willen der Kinder durchsetzen möchte. Natürlich werden durch die Schweinereanimation die Kosten für den Eingriff um rund ein Drittel erhöht, doch das Bewußtsein, ethisch korrekt gehandelt zu haben, läßt so manchen Bürger tiefer in die Tasche greifen als geplant.

Doch nun, mit zunehmender Verbreitung dieser Methode stellt sich zwangsläufig die Frage: was soll mit den jäh gealterten, oft chronisch kranken Schweinen geschehen? Leben sie doch den Verfall, der eigentlich den Menschen hätte treffen sollen. Das Problem wiegt heute um so schwerer, als wir es ja nicht einmal für unsere eigenen Alten jemals lösen konnten. Behalten wir sie in der Familie? Wer übernimmt die Pflege? Gibt es genug Pflegeplätze? Und: wer soll all das bezahlen? Die Schweinchen mit den zerschlissenen Organen der Menschen stellen uns vor die gleiche Problematik. Mittlerweile haben sich schon einige Bauernhöfe auf die Pflege dieser Geriatrieschweine spezialisiert, an einer flächendeckenden Lösung wird noch gearbeitet.

Besondere Idealisten, wie man sie wohl in jeder Gesellschaft findet, sorgen dagegen persönlich hingebungsvoll für die Tiere – voll der Dankbarkeit, daß es nicht sie getroffen hat. Tag für Tag führen sie die zittrig geworden Borstenhelden zum Futtertrog aus klarlackiertem Massivholz, den sie zuvor mit salzfreiem, fettarmen, eigenhändig angerührtem Schweinetrank gefüllt haben. Am Abend geht es mit dem Schwein zur Physiotherapie, damit wieder Leben in die steifen Füßchen kommt, bevor diese in die ewige Suppe geschnitten werden. Eine Gruppe von Tierärzten hat sich bereits auf Behandlung dieser Geriatrieschweine spezialisiert. Der Zulauf ist enorm. So kam es auch zur Entwicklung der ersten mobilen Dialysestatione für Schweine. Tierschutzorganisationen haben nun eine dringliche Anfrage im Parlament gestellt, ob Heimdialyse für Schweine noch vertretbar sei oder schon als Tierquälerei zu werten sei. Gegenargument der Traditionalisten: was für Menschen über ein Jahrhundert lang recht und billig war, wird wohl für die Schweine auch gut genug sein. Die anfallenden Behandlungskosten müssen von den Besitzern der Schweine getragen werden. Bisher haben die Krankenkassen eine Kostenübernahme kategorisch verweigert. Engagierte Tierschützer bereiten inzwischen eine Klage vor mit dem Argument, daß ein erheblicher Teil dieser Schweine sehr wohl noch versichert sei. Auszug aus einem aktuellen Rechtsgutachten: „Die Entnahme menschlicher Organe ändert nichts an einem bestehenden Versicherungsschutz des Restkörpers oder der entfernten Einzelteile."

Einige weniger sensible Naturen lassen ihre reanimierten Schweine noch ein paar gute Jährchen in den Vorgärten und Hinterhöfen erleben, bis sie sie schließlich zum Fleischer bringen, um unnötiges Leiden zu vermeiden: „Als wär’s ein Stück von mir...." ist einer der meistgehörten Sätze in der Sonderabteilung von St. Marx. Die Schlachtung „gebrauchter" Genschweine erfordert besondere Sorgfalt: die eingebauten menschlichen Innereien dürfen nicht zum Verzehr freigegeben werden. Viele Leute lassen sich jedoch Keule, Bauchstück und Schulter des einstigen Hausgenossen einpacken. Damit werden dann einerseits Freudenfeste gefeiert: „es hat das Schwein getroffen und nicht mich......", aber es gab auch schon sehr schöne, stimmungsvolle Leichenschmäuse, bei denen das verstorbenen Schwein noch einmal die Hauptrolle spielen durfte: im Kochtopf, als Teil des organerfrischten Menschens und oftmals auch auf den Servietten, die extra für solche Anlässe von hochspezialisierten Firmen gedruckt werden und mit einem Porträt des einstigen Ferkels verziert sind.

Nur wenige Ethiker wenden sich gegen das neue Verfahren. Ihr Hauptargument: Durch die Einpflanzung der Schweinsteile komme es zu einer gefährlichen Vermischung der Rassen, Erbgutveränderungen seien nicht völlig auszuschließen. Inwieweit der Denkprozeß der Menschen beeinflußt wird ist noch völlig unklar. Einige komplett ausgeräumte und neu befüllte Menschen berichten von Heißhunger auf gekochte, zerstampfte Kartoffeln, sowie von einer neu aufgetretenen, heftigen Vorliebe für Schlammpackungen. Eine Betroffene sagte gegenüber einer amerikanischen Illustrierten: „Am Wochenende fülle ich die Badewanne mit warmen Wasser und schütte einen 25l Sack Blumenerde hinein. Dann tauche ich splitternackt in die Mischung ein, und fühle mich unbeschreiblich wohl. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich derart intensive Lustgefühle, dabei blicke ich auf eine langjährige, glückliche Ehe zurück." Der Ehemann soll anfänglich recht eifersüchtig reagiert haben, mittlerweile hat er sich ein gemeinsames Schlammbad gewöhnt.

Wie kurz vor Redaktionsschluß bekannt wurde, hat in den USA soeben eine organerfrischte Frau einen Säugling mit Ringelschwänzchen zur Welt gebracht. Außerdem soll das Neugeborenen Borsten am Popo aufweisen, die eindeutig tierischen Ursprungs sind. Ärzte sprechen in diesem Zusammenhang von einer zufälligen Mißbildung, die durch einen harmlosen kosmetischen Eingriff jederzeit behoben werden kann.

Nie zuvor in der Geschichte des Menschen konnte das Schwein einen derart hohen Stellenwert einnehmen. So ist es den klugen Geschöpfen in den letzte Jahren sogar gelungen, den Hund als besten Freund des Menschen abzulösen. Fragt sich nur, um welchen Preis? Sind doch die Anforderungen, die wir an unsere Genschweine stellen, ungleich höher. Bernhardiner, Collie & Co. müssen bloß Stöckchen holen, brav an den richtigen Baum pinkeln und aufs Wort folgen – was vom Schwein übrigens auch erwartet wird, doch obendrein muß es sein Leben lassen für uns. Einziger Unterschied zu früher: es verschwindet nicht mehr wie einst komplett in den Kühltruhen der Supermärkte sondern darf - wenigstens scheibchenweise – in uns weiterleben. Was könnte schöner sein?

 

Der Begriff "Genschwein" stammte ursprünglich aus den frühen 80ern des vorigen Jahrtausends. Radikale Feministinnen pflegten damals jene Männer als "Genschweine" zu titulieren, die ihre Kinder bloß zeugten, sich aber nicht an deren Erziehung beteiligten und an den Nachwuchs zu allem Überfluß auch noch Erbanlagen weitergaben, die einerseits chronische Krankheiten begünstigten (wie Neurodermitis, Fehlsichtigkeit, Diabetes, etc. ) oder zu defekten Persönlichkeiten disponierten (Schüchternheit, mangelnde Intelligenz, Aggression, etc.)

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Inzwischen hat sich auch schon Hollywood für Dr. Snow, den Pionier des Schweinschutzes interessiert und plant eine groß angelegte, leicht adaptierte Literaturverfilmung unter dem Titel "Das Bildnis des Dorian Pig" frei nach Oskar Wilde. Es ist allerdings noch unklar, wer die Hauptrolle übernehmen wird. Weiterhin im Gespräch bleibt die kommende Kinoversion von "Dr. Jekyll und Mr. Schwein". Wir dürfen also gespannt sein...

Wer ist DR. SNOW ?

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Zusätzlich zum Standardtausch Herz/Lunge/Nieren/Leber erhielten diese Menschen auf Grund unterschiedlicher medizinischer Indikationen auch den schweinischen Verdauungstrakt, Nervenstränge des Rückenmarks, Bandscheiben. Aufgrund fortgeschrittener Verkalkung bei einigen Personen mußten Teile des Gehirns ebenfalls ausgetauscht werden. Bei uns ist dieser Eingriff jedoch vorläufig noch streng verboten.

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